Vom 1. September 2013 bis zum 19. Januar 2014 verwandelt sich die „Löwenstadt“
Braunschweig in die „Römerstadt“: Das Braunschweigische Landesmuseum präsentiert die Niedersächsische Landesausstellung 2013 „Roms vergessener Feldzug. Die Schlacht am Harzhorn“.
Im Zentrum der Ausstellung stehen die spektakuläre Entdeckung eines germanischrömischen Schlachtfeldes am Harzhorn, einem Höhenzug im Harzvorland, ca. 60 km südwestlich von Braunschweig, und das Geschehen hinter den Funden.
„Dank des hervorragenden Konzeptes und der spannenden Dramaturgie können die Besucher der Landesausstellung einen Ausschnitt der beziehungsreichen Geschichte zwischen Römern und Germanen auf niedersächsischem Boden hautnah miterleben. Die Menschen erhalten einen Einblick in die Arbeit der Archäologen und ihrer wertvollen Funde. Diese Landesausstellung macht die Qualität des Kultur-, Wissenschafts- und Tourismusstandortes Niedersachsen deutlich. Das Land unterstützt die Erforschung und Präsentation des Jahrhundertfundes mit mehr als 1,1 Millionen Euro“, sagte Niedersachsens Kulturministerin Gabriele Heinen-Kljajić.
Ein ermordeter Kaiser und sein Nachfolger, ein römischer Rachefeldzug und ein germanischer Hinterhalt – es ist ein spannendes und vor allem fast unbekanntes Jahrzehnt römischgermanischer Geschichte, das anhand von Originalfunden vom Schlachtfeld sowie hochkarätigen Leihgaben aus zehn Ländern Europas präsentiert wird. Insgesamt rund 760 Exponate erzählen von einem Geschehen, das es eigentlich gar nicht geben konnte. Denn noch vor fünf Jahren war die Wissenschaft davon überzeugt, dass die Römer nach der vernichtenden Niederlage in der Varus-Schlacht im Jahre 9 n. Chr. keine militärischen Großaktionen in germanisches Feindesland mehr unternahmen, abgesehen von kleineren Strafexpeditionen im Vorfeld des Limes. Die Entdeckung eines germanisch-römischen Schlachtfeldes im Jahr 2008 mitten in Niedersachsen, weit vom römischen Limes entfernt, gilt deshalb als archäologischer „Jahrhundertfund“ – nicht nur wegen des erstaunlichen Erhaltungszustandes der Objekte sowie der enormen Anzahl, sondern vor allem wegen der Datierung ins 3. Jahrhundert n. Chr., mehr als 200 Jahre nach der Varusschlacht. Die wissenschaftliche Sensation war komplett, als das Schlachtfeld mit einem in antiken Schriftquellen überlieferten historischen Geschehen verbunden werden konnte: einem Rachefeldzug des ersten Soldatenkaisers Maximinus Thrax in den Jahren 235/236 n. Chr.
Eingebettet in den Kontext von 300 Jahren römisch-germanischer Beziehungen wird die Geschichte dieses Feldzuges nun zum ersten Mal in einer Ausstellung rekonstruiert, gegliedert in acht Themeneinheiten. Ausgehend von der Entdeckung des Schlachtfeldes (Kapitel 1), wirft die Ausstellung zunächst einen Blick auf die wechselvolle Geschichte der römisch-germanischen Beziehungen vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. (Kapitel 2). Die Vorgeschichte des Rachefeldzuges – zunehmende Übergriffe der Germanen an der Rheingrenze in den 30er Jahren des 3. Jahrhunderts – wird näher betrachtet (Kapitel 3), bevor eine Schlacht selbst dargestellt wird (Kapitel 4), in äußerst ungewöhnlicher Form: hier stehen sich einzelne Kriegertypen der beiden Armeen in lebensgroßen Darstellungen gegenüber, versehen mit Teilen ihrer Original-Ausrüstung, wie (vielleicht) auf dem Gefechtsfeld vor 1800 Jahren. Der noch jungen Forschungsdisziplin der Schlachtfeldarchäologie, die erprobte archäologische Methoden mit modernster Technik kombiniert, verdankt die Landesausstellung ein ganz besonderes Highlight: die Rekonstruktion des Schlachtgeschehens via Projektion auf ein 3D-Geländemodell des Harzhorns (Kapitel 5), entstanden in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. In diesem Teil der Ausstellung wird der Besucher zum Forscher und erlebt hautnah archäologisches Arbeiten am Beispiel des Schlachtfeldes vom Harzhorn.
Im Anschluss erfährt der Besucher an der Geschichte des Maximinus Thrax, wie nah Triumph und Verdammnis beieinander liegen können (Kapitel 6) – der erste Soldatenkaiser konnte seinen Triumph über seinen Vorgänger Severus Alexander nicht lange genießen, nur drei Jahre nach seinem Herrschaftsantritt ereilte ihn das gleiche Schicksal wie den letzten Kaiser der severischen Dynastie. Die Ausstellung schließt mit einer Darstellung der unterschiedlichen Begräbnisriten von Römern und Germanen (Kapitel 7), möglicherweise waren einige der Verstorbenen selbst am Harzhornkampf beteiligt. Zu guter Letzt gibt es einen Ausblick auf das historische Geschehen bis zum Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. einer Zeit der Krisen für das Römische Reich.
Die ungewöhnlich authentische Inszenierung des Geschehens ist der umfangreichen Fundsituation am Harzhorn ebenso zu verdanken wie der Kooperation bedeutender europäischer Leihgeber. Mit über 2700 Fundstücken gilt das Harzhorn als das bislang am besten erforschte Schlachtfeld der römischen Antike. Die Relikte des Kampfes ruhten seit den blutigen Ereignissen unangetastet im Erdreich, das Schlachtfeld wurde nur ein Mal, direkt nach dem Kampf, von den Germanen nach verwertbaren Gegenständen durchkämmt, danach geriet es in Vergessenheit. Hochkarätige Exponate aus mehr als 80 europäischen Museen und Sammlungen wie Teile eines römischen Militär-Lederzeltes, Büsten der Kaiser Alexander Severus und Maximinus Thrax, Grabsteine gefallener Soldaten oder seltene germanische Objekte aus dem Thorsberger Moor in Schleswig erzählen mit den Harzhorn-Funden vom römischen und germanischen Alltag in Krieg und Frieden.
„Dass wir dieses Projekt in weniger als drei Jahren realisieren konnten, ist fachlich der intensiven, fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Harzhorn und dem wissenschaftlichen Beirat zu verdanken“, betont Dr. Heike Pöppelmann, Direktorin des Braunschweigischen Landesmuseums. „Ebenso dankbar sind wir den vielen Förderern und Partnern, ohne die wir ein so kostenintensives Projekt – für die Landesausstellung haben wir unter anderem neue Sonderausstellungsräume geschaffen – nicht hätten stemmen können. Egal ob überregional wirkende Stiftungen, wie die Stiftung Niedersachen, die Kulturstiftung der Länder oder die Niedersächsische Sparkassenstiftung oder Braunschweig und dem Braunschweiger Land verbundene Stiftungen wie die Stiftung NordLB – Öffentliche und, allen voran, die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz: überall sind wir mit unserem Projekt auf offene Türen gestoßen. Türen, die sicherlich nicht zuletzt deshalb offen standen, weil das Ministerium für Wissenschaft und Kultur der Ausstellung das Prädikatssiegel
„Landesausstellung“ verliehen und sie mit einer großzügigen Förderung versehen hatte.“