Dass er eines Tages eingereiht zwischen den Werken der großen Meister, Rembrandt und Vermeer, hängen würde, die er im Herzog Anton Ulrich-Museum kennen gelernt und studiert hatte und bis zu seinem Tod 1950 bewunderte, hätte sich der 16-jährige Max Beckmann seinerzeit bestimmt nicht träumen lassen.
Doch vom 6. bis 14. April 2019 ist es soweit: Das Herzog Anton Ulrich-Museum reiht ein Gemälde des heranwachsenden Künstlers im Rahmen einer Aktionswoche in die Gemäldegalerie Alter Meister ein. Die ca. 20x30 cm große Ölskizze „Landschaft mit See“ entstand nach Ausweis der Signatur am 6. April 1900 und zeigt, wie sein frühestes Skizzenbuch belegt, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Szene aus dem Braunschweiger Naherholungsgebiet Riddagshausen / Buchhorst. Das Werk konnte, dank Unterstützung der Braunschweiger Günter Kalkhof Stiftung und der Stiftung zur Förderung des Herzog Anton Ulrich-Museums, im Dezember 2018 auf einer Auktion in München angekauft werden.
Das Museum feiert die Rückkehr des Beckmann-Gemäldes an seinen Entstehungsort Braunschweig mit einer Aktionswoche. Täglich finden 30-minütige Sonderführungen in der Gemäldegalerie statt zum Preis von nur 1 € pro Person, der Eintritt wird von 9 € auf 5 € ermäßigt. Für alle, die tiefer in das Leben und Werk Max Beckmanns eintauchen wollen, werden zwei Abendveranstaltungen angeboten (Di, 9. April und Do, 11. April, jeweils 18.30 Uhr).
Der 16-jährige Max Beckmann malte die Ölskizze „Landschaft mit See“, Öl auf Leinwand, aufgezogen auf Karton, 19,5 x 28,5 cm, am 6. April 1900. Die Arbeit stammt aus Beckmanns frühester Schaffensphase, kurz vor dem Beginn seines Studiums an der Großherzoglichen Kunstschule in Weimar, und zählt somit zu den ersten Werken seiner künstlerischen Laufbahn. Ein Zeitraum, der bisher wissenschaftlich wenig erforscht und auch noch nicht in der aus 98 Werken bestehenden Sammlung von Beckmann-Graphiken im Kupferstichkabinett des Museums vertreten ist. Wie sein frühestes Skizzenbuch (Washington, National Gallery of Art) belegt, durchstreifte Max in diesen Wochen und Monaten zeichnend die Stadt, Natur und Gaststätten in und um Braunschweig – um seine Neugier auf das Leben zu stillen und seine künstlerischen Fähigkeiten weiter zu entwickeln.
„Diese angesichts von Beckmanns Jugend erstaunlich freie und atmosphärische Landschaftsansicht führt vor Augen, wie früh er seine künstlerische Begabung und Berufung empfand und wie konsequent er dies in künstlerische Arbeit umsetzte. Es ist an der Zeit, seine Braunschweiger Jugendjahre und ihre Bedeutung für seine spätere persönliche und künstlerische Entwicklung genauer zu erkennen, sie zu erforschen und bekannt zu machen. Die Ergebnisse unserer jahrelangen wissenschaftlichen Bemühungen um dieses Thema werden wir im Herbst/Winter 2020-21 in einer Ausstellung im Herzog Anton Ulrich-Museum präsentieren. Die Neuerwerbung dieses Hauptwerks seiner Braunschweiger Jahre bildet einen wunderbaren zusätzlichen Anlass und eine große Bereicherung dieser Schau, in der wir die Herkunft und Anfänge Max Beckmanns mit zahlreiche Leihgaben aus europäischen und amerikanischen Sammlungen beleuchten werden.“, so Prof. Dr. Thomas Döring, Leiter des Kupferstichkabinetts.
Die „Landschaft mit See“ entstammt dem Nachlass Barbara Göpels, der Ehefrau des bereits 1966 in München verstorbenen Kunsthistorikers Erhard Göpel. Während des Zweiten Weltkriegs war Erhard Göpel ein wichtiger Freund und Unterstützer des in Amsterdam exilierten Beckmann. Gemeinsam erstellte das Ehepaar Göpel später das Werkverzeichnis über den Maler und Grafiker in zwei Bänden. 1944 fertigte Beckmann das Portrait „Bildnis Erhard Göpel“ an. Erhard Göpel war, wie inzwischen bekannt ist, zur Zeit des Nationalsozialismus Mitarbeiter des „Sonderauftrag Linz“ und somit am Kunstraub beteiligt. Die Prüfung der Provenienz des auf der Auktion in München angebotenen Werkes hatte daher höchste Priorität. Erst als die lückenlose Provenienz nachgewiesen war – das Gemälde stammt aus dem Besitz von Beckmanns Schwester Margarethe und ging über deren Tochter Hildegard schließlich an Beckmanns Nichte, die es in den 1950er Jahren an das Ehepaar Göpel verkaufte – wurde die Ersteigerung in Betracht gezogen.
Der Ankauf wurde ermöglicht durch eine Förderung der Günter Kalkhof-Stiftung und
der Stiftung zur Förderung des Herzog Anton Ulrich-Museums.