Als Braunschweig auf dem Meeresboden lag

Neue Sonderausstellung "Jurameer" eröffnet

Ab dem 1. April widmet sich eine neue Sonderausstellung des Naturhistorischen Museums der maritimen Vergangenheit der Löwenstadt Braunschweig: „Jurameer. Niedersachsens versunkene Urwelt“ beleuchtet den Zustand der norddeutschen Tiefebene vor 175 Millionen Jahren.

Wo sich heutzutage Städte, Dörfer, Wälder und Felder erstrecken, rauschten vor etwa 175 Millionen Jahren die Wellen des Jurameeres. Wo heute Vögel, Menschen und ihre Haustiere die Landmasse bevölkern, tummelten sich damals spektakuläre Lebewesen wie delfin-ähnliche Ichthyosaurier, langhälsige Plesiosaurier und Meereskrokodile in einem subtropischen Flachmeer.
Anhand von rund 230 Exponaten präsentiert die Sonderpräsentation auf 80 m² Ausstellungsfläche im 2. Obergeschoss des Museums einen Querschnitt der Tierwelt und des faszinierenden Ökosystems des Unterjura. Sogar diverse Jäger-Beute-Verhältnisse lassen sich anhand der Ausstellungsstücke anschaulich rekonstruieren.

Das Jurameer
Vor 175 Millionen Jahren erstreckte sich das Jurameer über große Teile Mitteleuropas. Es war ein Nebenmeer der großen Tethys, die den Nordkontinent Laurasia vom Südkontinent Gondwana trennte und sich von Ostasien bis in die heutige Alpenregion erstreckte. Als sich im Unterjura Nordamerika von Europa abtrennte, sanken einige Bereiche Mittel- und Westeuropas ab und wurden von Flachmeeren geflutet. Anfangs war das von Inseln durchsetzte Flachmeer noch brackig, doch nach und nach stieg der Salzgehalt an.
Das Jurameer hatte nur eine schmale Verbindung zur offenen See, der Wasseraustausch war gering. Diese besonderen Bedingungen führten dazu, dass sich auf dem Grund des Meeres eine Sauerstoff-freie Bodenwasserschicht bildete. Lebewesen, die in den oberen Wasserschichten lebten, sanken nach ihrem Tode in diesen lebensfeindlichen Bereich ab und konnten im Bodenschlamm konserviert werden, da die Verwesung nur langsam und unvollständig erfolgte. Ein Glücksfall, denn diese Umstände bescheren der Wissenschaft reichhaltige Fossilienfunde.

Die Tierwelt des Jurameeres
Viele der Lebewesen, die das Jurameer bewohnten, erscheinen aus moderner Sicht fremdartig, wie z.B. der langhälsige Plesiosaurier. Die fossilen Überreste der Jurameer-Bewohner sind heutzutage eingebettet in mächtige Schichtpakete dunkler Tonsteine. Im Braunschweiger Land ist dieses Sedimentgestein bei Hondelage und Schandelah sehr gut erschlossen. Hier konnte das Naturhistorische Museum im Jahr 2011 eine spektakuläre Entdeckung verbuchen:
Dominieren normalerweise Ammoniten und Fische die Fundstellen, konnten in Hondelage Ichthyosaurier geborgen werden.

Ichthyosaurier waren eine hoch spezialisierte Reptiliengruppe, die von landlebenden echsenartigen Vorfahren abstammte und sich wieder perfekt dem Leben im Meer angepasst hatte. Die Beine waren zu Paddeln umgestaltet worden, der Körper hatte eine perfekte, delfinähnliche Stromlinienform und die Tiere gebaren lebende Junge im Meer. Sie mussten somit nicht mehr zur Eiablage ans Land zurückkehren. Bislang sind im niedersächsischen Becken (wahrscheinlich bedingt durch den fehlenden Abbau der Ölschiefervorkommen) deutlich weniger Ichthyosaurier als in Süddeutschland gefunden worden. Östlich von Braunschweig wurden aber bereits Exemplare der Gattungen Stenopterygius und Eurhinosaurus entdeckt.
Das Naturhistorische Museum beherbergt mehrere Ichthyosaurierskelette aus dem Braunschweiger Land. Seit Sommer 2013 sind zwei Ichthyosaurier in einer Lichtvitrine im ersten Stock des Museums ausgestellt.

Neben diesen fremdartigen Schwimmsauriern lebten im Jurameer aber auch Meereskrokodile wie Steneosaurus, die dank ihrer seitlich abgeflachten Schwänze wahrscheinlich relativ schnelle Schwimmer waren. Das deutlich erkennbare „Kettenhemd“ aus verknöcherten Hautschuppen stellte wohl einen wirksamen Schutz gegen die Angriffe großer Meeressaurier wie den kurzhalsigen Pliosauriern dar.
Beeindruckend sind aber auch die vollständigen Schmelzschuppenfische, die erst nach aufwändiger Präparation selbst feinste Details ihrer Beschuppung erkennen lassen.

Abgesehen von Meeresbewohnern wie Ichthyosauriern, Plesiosauriern, Ammoniten, Belemniten, Schnecken und Muscheln werden in der Ausstellung auch fossile Funde von Landlebewesen präsentiert, wie gut erhaltene Insekten und Pflanzenreste, die durch Flüsse vom Festland eingespült wurden.
Im Zusammenspiel erzählen die Funde die faszinierende Geschichte eines lange vergangenen, faszinierenden Ökosystems: des Jurameeres.