Am Montag, dem 26. Oktober 2020, beginnt der größte Umzug der Museumsgeschichte: Das Braunschweigische Landesmuseum muss seinen Standort im Vieweghaus am Burgplatz in Braunschweig räumen.
Grund ist die mehrjährige Sanierungsmaßnahme, in deren Rahmen das Land Niedersachsen das in die Jahre gekommene Gebäude von Grund auf für 47,5 Millionen Euro generalüberholen wird.
Nachdem die Mitarbeiter*innen bereits Anfang Oktober ihre Büros geräumt und für die Zeit der Sanierung in der Alten Post (Friedrich-Wilhelm-Straße) Unterschlupf gefunden haben, beginnt nun der Transport der rund 300.000 Objekte in ein neues Zentraldepot. Die Vorbereitungen für dieses logistische Mammutprojekt begannen schon im Januar 2019, fast zwei Jahre vor Beginn der Maßnahme. Der Umzug selbst wird voraussichtlich innerhalb von ca. 2,5 Monaten, bis Ende Dezember 2020, vollzogen sein. Das vierköpfige Organisationsteam und die fünf festangestellten Restauratoren des Braunschweigischen Landesmuseums wurden in den vergangenen Monaten von 10 freien Restaurator*innen unterschiedlichster Fachrichtungen beim sicheren Verpacken der Objekte unterstützt: z.B. Steinrestauratoren für die Büstensammlung, Gemälde- und Papierrestauratoren für Graphik und Gemälde. So gut wie jedes der 300.000 Objekte musste einzeln in die Hand genommen, begutachtet und entsprechend seinen Anforderungen für den Transport gesichert werden. Das Museumsteam musste unzählige individuelle Lösungen ausarbeiten, von speziellen Einbauten in Kartons für kleine Spielzeugfiguren-Ensembles bis hin zu selbstgebauten Holzkonstruktionen für die Büsten.
Eine besondere Herausforderung stellte ein „Trabi“ dar, eines der jüngsten Objekte in der alten Dauerausstellung. Kurz nach der Wiedervereinigung angekauft, war der Trabant als Symbol der Wende der deutschen Nachkriegsgeschichte mit purer Muskelkraft durch das Treppenhaus in die zweite Etage gewuchtet worden. 28 Jahre später ging es auf gleichem Weg wieder zurück nach unten: 12 Männer trugen das rund 400 kg schwere Gehäuse – Motor und Räder waren zur Erleichterung vorher ausgebaut worden – durch das enge Treppenhaus sicher ins Forum des Museums. Der Umzug zweier weiterer solcher Großobjekte steht dem Museumsteam bis Dezember noch bevor: Die 850 kg schwere, 2,5 m große Atomuhr der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt aus Braunschweig sowie der fast 4 m hohe „Heinrich der Löwe in Eisen“, eine überlebensgroße Holzfigur aus dem Jahr 1915.
„Alle Ausstellungsflächen des Museums, immerhin rund 3600 m² auf drei Etagen, dienen inzwischen entweder als Kurzzeit-Depots für schon verpackte Objekte oder als provisorische Werkstätten für die Restauratoren“, erzählt Museumsdirektorin Dr. Heike Pöppelmann. „Wir schätzen, dass die Kartons und Kisten mit den Objekten rund 400 Paletten und 50 Paletttürme
einnehmen werden – Gemälde und Großobjekte nicht mitgezählt, die in individuellen Konstruktionen und Transportkisten bewegt werden.“
Das Museumsteam ist allerdings nicht nur mit der Sammlung beschäftigt. Parallel zum Umzug der Objekte müssen auch die Bibliothek, die Werkstätten und sämtliche Ausstellungseinbauten, Vitrinen etc. anderweitig verstaut oder entsorgt werden.
„Die ganze Ausstellungstechnik, von der Großvitrine bis zum Hörlöffel, Veranstaltungstechnik vom Beamer zum Mikrofon, die Arbeitsmittel der Museumspädagogik vom Filzstift bis zum Kostümfundus, die Buchlager mit Publikationen des Museums der letzten drei Jahrzehnte und den Shop-Artikeln, die Werkstätten der Haustechnik von der Schraube bis zur Werkbank, sowie hunderte von Stühlen, Tischen, Schränken und Regalen – hier muss wirklich ALLES raus aus dem Haus, bis zum letzten Paket Heftzwecken aus den Büromittel-Vorräten“, fährt Frau Dr. Pöppelmann fort. „Wir müssen fast 8000 m² Fläche vom Keller bis zum Dachboden räumen, bis wir das Vieweghaus mehr oder weniger besenrein ans Staatliche Baumanagement übergeben
können. In ein paar Jahren, nach Fertigstellung der Sanierung, geht dann abgesehen von den Sammlungen alles wieder retour. Aber auch wenn das erneut einen enormen Kraftakt für uns als Museumsteam bedeutet: Wir freuen uns schon jetzt riesig auf das neue Braunschweigische Landesmuseum!“